Paris New York nun auf dem Weg Richtung Osten

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Stoneseeker

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armin

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21.-27.12.2008: Jakutsk - Magadan

Wie baue ich an Weihnachten aus Langeweile ein Hinterachs-Differential
Am 24. befand ich mich noch in Aldan um das Expeditionsfahrzeug F1 zu reparieren und dieses dann mit Anhänger MJ46 nach Jakutsk zu fahren - was schlussendlich auch klappte (Ankunft 25. 01:00 Uhr). Die Reparatur an sich gestaltete sich jedoch extrem schwierig und ich benötigte gemeinsam mit meinem russischen Begleiter Dima zwei Tage und Nächte, da uns zu unserer großen Enttäuschung vom Zubehörhandel die falschen Kegel/Tellerradsätze geliefert wurden. Weil in Russland alles möglich ist, haben wir uns das Differential schlussendlich aus zwei falschen Differentialsätzen und mit der Unterstützung einiger Helfer in Aldan selbst gebaut.
Wie? Man nehme ein zu dickes Tellerrad, zerstöre es zu Testzwecken und drehe das Zweite dann mit Drehmaschinen, die gigantische Ausmaße haben, auf Maß ab. Dazu baue man diese Maschinen in stundenlanger Arbeit natürlich erst um, nachdem man die Produktion von Industrieteilen zuvor mit Hilfe eines verständnisvollen Direktors gestoppt hat. Um sich diese riesigen Maschinen nutzbar zu machen, stelle man vorher mit Hilfe eines nicht mehr benötigten Kettensatzes einer Raupe das geeignete Haltewerkzeug selbst her (diese Anleitung auf Anfrage :) ). Genauso verfahre man mit den Kegelradwellen, nachdem man das benötigte Maß vorher in unzähligen Ein-/Ausbauversuchen ohne Messwerkzeug ermittelt hat. Dann benötigt man idealerweise einige alte Schrauben mit speziellem Zollgewinde, die man mit Hilfe einer Feile und ähnlich eines Geduldspiels zu Gewindeschneidwerkzeugen umbaut um neue Gewinde in das Tellerrad zu schneiden.
Dann lasse man sich von einem begnadeten, alten russischen Mechaniker noch drei 0,2mm Distanzscheiben von Hand dengeln und mixe diese mit anderen Scheiben aus den falschen Umbausätzen. Man benötigt nun eigentlich nur noch einige Stunden geduldige Einstellversuche, die händische Anfertigung eines Abziehers sowie eines speziellen Stemmwerzeuges und selbsthergestellte, dicke Unterlegscheiben (auf der schon erwähnten gigantischen Drehmaschine) und schon wird aus gar nix ein Differential, welches man sonst nur für viel Geld in den USA kaufen kann.
Um die ganze Sache abzurunden, empfiehlt es sich wenn die Müdigkeit und Kälte in den großen Hallen übermächtig wird die Gastfreundschaft von Helfern anzunehmen, hunderte von Telefon-Euros für Informationen auszugeben und sich natürlich nicht zu ärgern.
Nachdem ich dann am 24.12. nachts gemeinsam mit Dima, der mich irgendwie wachhielt um fahren zu können, in Jakutsk angekommen bin, flog ich 3 Stunden später am 25. in aller Herrgottsfrühe zu Gesprächen und um restliche Dinge zu erledigen nach Magadan. Evgeny ist über Habarowsk ebenfalls dorthin gereist.

Das restliche Team welches mich bis hierher begleite hat ist schon am 24. mit einer der letzten Maschinen ausgeflogen und ist über kurz oder lang sicher in Deutschland eingetroffen.

An diese Stelle nochmals einen ganz herzlichen Dank an das super Team welches Evgeny und mich ab Moskau - begleitet hat:
Astrid, Joachim, Marco, Hendrik ihr ward spitze. Es hat mir viel Spaß gemacht mit euch zu reisen. Danke für alle Unterstützung und das gemeinsame, im Grunde nie vergangene Lachen.

Das neue Team wird am 15.01. In Jakutsk eintreffen und auf die Reise durch Chukotka zur Beringstraße gehen.

Zu guter Letzt danke ich von hier aus allen für die Unterstützung auf der ersten Expeditionsetappe über rund 22000 km von Paris nach Jakutsk und wünsche allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.


Matthias Jeschke
 
CptKippdotter

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Faszinierend !!!!!!!

Gibts auch neue Bilder ..... ??

Danke an Armin für die Weitergabe des Berichtes!!

Kippi
 
armin

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So jetzt gehts weiter auf die härteste Landetappe von Jakutsk nach Magadan

Fotos/Aktuelles > Aktuelle Berichterstattung


27.01.2009: Strip my trailer
„Ja muss ich mich denn nur ärgern?“ dachte ich, als mir das einfache Hotel "Sesaria“ (Name so ausgeschrieben, wie ich es hier in Russland ausspreche) plötzlich das Doppelte an Geld abnehmen wollte als bisher. Ich hasse so was. Vor unserer Abreise waren wir im Polarstar Hotel sehr gut untergebracht. Alles war ok. Jetzt haben wir uns für eine einfache Unterkunft entschieden.

Wenn der Preis stimmt kann man über dreckige Zimmer, Gestank im Bad, auf Putz verlegte Abwasserrohre, undichte Badewannen, lauwarmes Wasser, keine Zimmerreinigung, keine Handtücher, verschmierte Wände, kaputte Schränke, keine Bettdecken, freche Mitarbeiter, runter fallende Verkleidungen, sich durch Leckagen selbst flutende Badezimmer, etc. hinwegsehen. Aber wenn der Preis dann plötzlich um 100% steigt, bei gleichzeitiger Exklusion des Frühstücks regt sich der Matze echt auf!

Ok, soweit ein bisschen Frust, weiter geht’s mit den Umbaumaßnahmen. Wir arbeiten mit vier Mechanikern plus Marco und mir parallel an beiden Wagen und den Trailern. Heute war z.B. mein Trailer dran. "Strip my Trailer" war das Schlagwort nachdem die Spezialanhänger bis hierhin alle Härten vollständig klaglos hingenommen und einen super Job gemacht hatten.

Jetzt begannen wir, alles was nicht irgendwie unentbehrlich war zu demontiert, abzuflexen, umzuschweißen etc. Die Auflösung der extra so konzipierten Anhänger hat begonnen. Eine schweinische Angelegenheit wenn alles Eis aus den letzten Ritzen taut und dich nachdem es flüssig über den ganzen dreckigen Anhänger gelaufen ist, von oben bis unten einnässt - weil, du musst ja darunter liegen, denn eine Bühne gibt es nicht. Nach und nach werden wir diese immer weiter zerlegen bis nichts mehr als der Rahmen da ist. Da sollten wir in Uelen angekommen sein. Die Bilder vorher/nachher werdet ihr in ein zwei Tagen sehen. Außerdem begannen wir mit dem Einbau der Webasto Standheizungen, tauschten den zweiten Tank, ersetzten die bisherigen LKW-Anhängerkupplungen gegen die neuen Spezial-"nato"-Anhängerkupplungen von Rockinger für extremes Gelände fahren und montierten die dritte Winde an den Fahrzeugen.

Ziemlich müde fielen wir um 24 Uhr in die Kojen. Um 5 Uhr müssen wir wieder raus um Ulrich, unseren Fotografen, am Flughafen abzuholen.

Matthias Jeschke
 
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28.01.-01.02.2009:

Es war einiges los an Arbeit, Organisation und Eintreffen/Wegbleiben von Teammitgliedern bei uns in den vergangenen drei Tagen.

Früh morgens am 28ten holte ich Ulrich Kaifer, unseren Fotografen, der problemlos nach Jakutsk eingeflogen war, am Flughafen ab. Nun waren wir also zu dritt und haben uns voll dem erwähnten Umbau der Fahrzeuge gewidmet.

Super war, dass wir an diesem Tag auch alte Bekannte in Jakutsk wiedertreffen konnten: Thomas Beil und Uwe Lay. Thomas hatte bei mir vor einiger Zeit ein Motorrad gekauft und war mit seinem Freund auf dem Weg nach Oimijakon. Beide transportieren für uns Matarial nach Jakutsk und nach Hause und unterstützten uns organisatorisch. Wir danken beiden herzlich für ihre Hilfe.

Am 29ten traf dann Konstantin Savva ein. Unser 2tes russisches Teammitglied kam aus Moskau und kümmerte sich sofort um die Sondergenehmigungen. Wir waren zu viert.

Am 30ten traf nach einigen Verspätungen und Flugumlegungen Kaspar Mettler bei uns ein. Kaspar wurde nach 48 Stunden Flug direkt noch für 12 Stunden in die Werkstattarbeiten eingebunden. Er machte seine Sache perfekt und hielt stark durch. Wir waren fünf.

Nun warteten wir nur noch auf die Meldung von Evgeny, der uns mitteilen sollte wann er in dem von uns 1000 km entfernten Ustnera eintrefen wird. Dort wollten wir auf ihn treffen und gemeinsam weiterfahren. Leider kam es anders. Evgenie teilte uns vor zwei Tagen mit, dass er noch für 10-14 Tage wegen geschäftlicher Notwendigkeit in Magadan bleiben müsse. Das war so natürlich nicht geplant. Nun fehlte uns ein Fahrer und wir mussten die eingeteilten Teams ändern. Jetzt fährt Kasper vollverantwortlich den F2 mit Marco an Bord, während ich im F1 mit Konstantin und Ulrich fahre.

Heute nun, am 01.02.2009, nach der tollen Hilfe von Serafim und seiner Mannschaft - Artyom, Valarie, Dima, Micha, Sonja und Dima starten wir Richtung Belibina.

Matthias Jeschke





 
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01-03.02.2009: Nalid Ice

Ich frage mich manchmal, ob man gewisse Vorgänge einfach als normal oder als gefügt bezeichnen kann. Z.B. Kaspar Mettler. Wenige Tage vor meiner Abreise meldet sich Kaspar und möchte die härtesten Etappen der Expedition noch mitmachen. Wir machten es möglich und nahmen ihn mit. Nur 2-3 Tage später erreicht mich die Nachricht, dass Evgeny nicht - oder erst viel später - zu uns kommen wird. Evtl. werden wir ihn in Pevek treffen. Mit Evgeny fiel ein erfahrener Offroad-Fahrer und vor allem der Fahrer des zweiten Expeditionsfahrzeuges aus. Weder Marco noch Konstantin, - eingeschränkt vielleicht Ulrich - können die Gespanne über tausende von Kilometern durch hartes Gelände fahren. Kaspar kann es. Schon nach wenigen Tagen ist klar: Wir haben mit Kaspar einen ideal passenden Kameraden für unser Team erhalten. Er ist ein versierter, umsichtiger und zuverlässiger Fahrer und Teamplayer mit viel Erfahrung. Es passt absolut perfekt. Wir sind dankbar dafür. Überhaupt haben wir aktuell wieder ein super Team. Uli, Marco, Konstantin - alles top Profis was Zusammenarbeit, Fairness und Miteinander angeht. Uli immer mit Humor, Marco mit bayrischer Lockerheit und Konstantin mit russischer Gelassenheit.

Seit gestern 16 Uhr sind wir wieder auf dem Weg und Jakutien will uns anscheinend die gleichen Herausforderungen stellen wie im Dezember bei der Ankunft. Die Region sorgt mit bis zu -52 Grad dafür, dass alles schwer fällt.

Zum ersten Mal trafen wir heute auf ein Phänomen, das jeder Fahrer hier fürchtet: Nalid Ice.
Was ist es; wie entsteht es; bzw. welche Gefahr birgt es?
In der Regel entsteht es wenn ein Fluss aufgrund kältester Temperaturen vollständig bis auf den Grund zufriert. Dann kann das anströmende Wasser nicht mehr unter dem Eis fließen und sucht sich Wege dazwischen und darüber. Es entstehen zum Teil meterhohe Wasserblasen. Das überströmende Wasser gefriert nicht gleich und ist nicht tragfähig. Fahrzeuge die es befahren, brechen in das Eis ein und frieren - wenn sie nicht schnell genug geborgen werden können - gnadenlos fest. So mancher Wagen/LKW wartet Wochen und Monate auf die Bergung. Wir trafen am Fluss Setorym auf Nalid Ice, welches jedoch nur 10/15 cm aufbrach. Wir konnten also passieren.

Mittlerweile sind wir in Ustnera eingetroffen. Nach fast genau 42 Stunden Non-Stopp-Fahrt. Wir sind nun alle seit rund 53 Stunden wach (sieht man mal von drei je rund einstündigen Schlafstopps in der Einsamkeit Jakutiens ab) und haben noch den heutigen Tag vor uns um die Fahrzeuge für die nächste Etappe zu präparieren, die uns auf dem Fluss Kolyma nach Syrianka führen wird.

Die Menschen in Ustnera warnten uns schon vor, dass es durch die tiefen Temperaturen viel Nalid Ice geben wird. Zudem herrschte vor zwei Tagen ein Sturm, der alles mit Schnee zuwehte - Sche***

Matthias Jeschke











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05.02.2009: Einstieg in die Winterwege

Wir starteten nachdem wir rund 850 Liter Benzin aufgenommen und das Bioethanolmischungsverhältnis hergestellt hatten gegen 10 Uhr aus Ustnera und fühlen uns nun zeitweise wie Kapitäne auf einem Schiff: Mit anfänglich 1,2 Bar Luftdruck (später reduzierten wir nochmals wegen starker Schneeverwehungen auf 0,7 Bar) und als Vorsichtsmaßnahme, die sich bewähren sollte, mit ausgebauten Stabilisatoren schaukeln die Wagen wie auf hoher See. Der Grund: Ohne die Stabilisatoren ist die Verschränkung nochmals viel besser und die elektrischen Diskonektoren werden durch das viele Eis nach dem Einbrechen in Wasser einfrieren. Das wollten wir verhindern.

Wir erreichten nach ca. 90 km Winterstraße Richtung Magadan den kleinen unscheinbaren Abzweig nach Syrianka. Dieser Einstieg markiert den Beginn der harten Winterwege Chukotkas. Von hier aus (rund 600 m über NN) führte uns unsere erste Winterwegsetappe ca. 60 km auf den zugefrorenen Flüssen Burustach und Andigitschan Richtung Sasyr. Insgesamt legten wir in 15 Stunden Fahrt rund 220 km zurück, überquerten drei Pässe bis auf 1300 m über NN, halfen zwei LKW-Fahrern, die mit Motorschaden liegen geblieben waren indem wir über Satellitentelefon einen Notruf an die Zentrale absetzten, fuhren durch das Aquarium* und winchten mehrfach mein komplettes Gespann aus Tiefschnee, wenn ich beim Durchbrechen des Schnees stecken blieb.
In jedem Fall haben sich die Winden bei den jetzt rund acht Tonnen schweren Gespannen ein ums andere Mal bewährt - wie auch die Spezial-Anhängerkupplungen von Rockinger. Sie ermöglichen extremste Verschränkung zwischen Fahrzeug und Trailer - und die hatten wir zur Genüge.

Die Winterwege sind von 6x6 oder 8x8 Trucks "durchgebrochene Tracks". Sie führen querfeldein, entlang oder durch/über Flüsse, Wälder, Hänge, Ebenen, etc. Gerade so, wie die Trucks durchkommen. Oft waren wir mit 10 km/h oder weniger unterwegs und fuhren durch Täler oder Hochebenen und über Pässe, die von gewaltiger Schönheit sind. Auf einer dieser Hochebenen musste vor kurzem ein heftiger Sturm getobt haben. Es sah aus wie nach einem Erdbeben. Überall Zacken, Eis und meterhohe Schneeverwehungen, die im unwirklichen Scheinwerferlicht wie aufgebrochene Erde aussahen.

Unterwegs trafen wir Trucker in ihren extrem Urals und Kamaz, die sich verwegen durchkämpfen. Sie berichteten uns von mehreren offenen Flüssen, die wegen warmen Wassers nicht zufrieren. Bei ihrer Überquerung sollten wir vorsichtig sein. Nachdem wir gegen 3 Uhr morgens den offenen Fluss erreicht hatten, stoppten wir und richteten uns für die Nacht ein. Den Fluss bei Nacht zu durchqueren war zu gefährlich. Am nächsten Morgen traf es sich sehr gut, dass wir einen LKW-Konvoi auf uns zukommen sahen. Die Trucks durchquerten den Fluss auch nur mit Mühe. Wir konnten zusehen wie ein Kamaz aus dem Fluss geborgen wurde, der die meterhohe Eisstufe nicht erklimmen konnte. Nicht weit von der Stelle wo die Trucks querten fand Kaspar eine zerstörte alte Brücke. Die LKWs trägt sie nicht mehr aber unsere Fahrzeuge hoffen wir wird sie aushalten um uns eine heftige Winchaktion zu ersparen.

*Das Aquarium: Bei LKW-Fahrern berüchtigter kleiner See, kurz vor dem dritten Pass, auf dem sich in der Regel Nalid Eis bildet. Als wir am Morgen LKW-Fahrer trafen, sagten sie uns es sei ca. 5 cm dick. Nachmittags waren es schon 30 cm und als wir eintrafen brachen wir bis über die Achsen ein. Wir mussten es durchfahren, da wir damit rechneten, dass wir am nächsten Morgen noch tiefer einbrechen und uns die Autos am aufgebrochenen Eis der Trucks, welches wild hochsteht, beschädigen würden. Das hatte aber auch zur Folge, dass wir nicht wie ursprünglich geplant auf dem dritten Pass übernachten konnten (die Temperaturen sind in der Höhe in der Regel bis 10 Grad wärmer als im Tal), sondern weiter fahren mussten um zu verhindern, dass die Räder, Bremsen und Achsen nach der Wasserdurchfahrt einfrieren.

Feeling Gruppe: Nach sechs Stunden Schlaf und einem ausgedehnten Frühstück in herrlicher Landschaft bei Sonnenaufgang war die Power wieder da, nachdem zuvor die Anstrengungen an den Nerven zehrten.

Matthias Jeschke













06.02.2009: Sasyr


Die kleine Brücke hielt. Und als wir danach auch noch eine große Fläche Nalid Eises ohne Probleme durchfuhren weil es schon wieder gefroren war, war der Tag gebongt. Ein schwieriger Teilabschnitt war genommen.

Auf unserem weiteren Weg entdeckten wir zwischen Bäumen ein Basecamp der Rentierhirten. Es war vorübergehend verlassen, aber beeindruckte uns doch. Auf ein paar zusammengebundenen Holzplanken in ungefähr 1,5 m Höhe wird in Fellen geschlafen. Als Schutz dient lediglich einen notdürftige Plane. Schon gestern sahen wir Spuren eines oder mehrerer Hirten mit einer großen Anzahl von Tieren und folgten ihnen - jedoch ohne sie zu treffen.

Gegen 17 Uhr erreichten wir das von unserem nächtlichen Rastplatz rund 85 km entfernte native Dorf Sasyr. Es ist hauptsächlich von Pferde- und Rentierhirtenfamilien bewohnt und hat eine lange Tradition. Hier steht auch das einzige Museum, welches die Historie des Volksstammes der Ewenen zeigt. Keine fünf Minuten nachdem wir einfuhren, umringten uns vielleicht 20 Kinder. Groß war die Freude, als wir ihnen in dem kleinen Shop Schokolade kauften. Direkt lud uns eines der etwas älteren Kinder zu sich nach Hause ein. Dort angekommen bewirtete uns die Familie mit Tee und Gebäck.

Anschließend fuhren wir noch rund 70 km über heftigste Buckelpisten durch Wälder bis zu unserem jetzigen nächtlichen Standplatz im Tiefschnee bei -48°C.

Matthias Jeschke
 
armin

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07.02.2009:



Ich hatte mich knapp verkalkuliert.
Als wir am Morgen aufwachten war dies nicht weil der Wecker klingelte oder wir ausgeschlafen hatten, sondern weil der Motor am F1 ausging. In der Nacht wollten wir die Tanks bei eisigen Temperaturen nicht noch auffüllen und ich kalkulierte die Restmenge im Haupttank sollte knapp bis zum Morgen reichen. Sie tat es um eine halbe Stunde nicht. Das eine Umpumpaktion unmittelbar nach dem Aufwachen und in schneidender Kälte nicht wirklich Spaß macht und man schlagartig hell wach ist, ist auch klar. Entschädigt wurden wir mit dem Eintreffen der ersten Sonnenstrahlen und einem Landschaftsbild wie es sich ein Maler nicht schöner hätte ausdenken können.

Interessant ist bei uns immer das Frühstück. Die beengten Platzverhältnisse in den Wagen ringen uns in der Regel akrobatische Leistungen (das gilt auch für die Bildbearbeitung, die Uli während der Fahrt mit großer Fingerfertigkeit aber mit noch mehr Geduld - leichtes bis mittelschweres Fluchen über die nächste Beule am Kopf oder Ähnliches hören wir vorne kaum noch - zu Wege bringt) ab. Und da das Frühstück bei uns die einzige Mahlzeit ist, die wir im Ruhezustand - also ohne zu Fahren - einnehmen, geben wir uns natürlich Mühe. Da wir im Auto kochen, müssen die drei Schlafplätze mit dem Innenraumequipment in die Küche verwandelt werden, wozu Umbaumaßnahmen notwendig sind. :)
Aber dann ist's kuschelig. Dass drei Männer im Jeep komfortabel schlafen können ist eh klar. :) Heute Morgen z.B. flippte mein dick bestrichenes Marmeladenbrot, welches ich auf meiner Tasse abgelegt hatte, welche auf dem Rand des GPS stand, welches neben dem Funkgerät montiert ist und gab sich der Erdanziehung hin. Bis es mit der Marmelade nach unten die Endposition auf der Hydrauliksteuerung eingenommen hatte, streifte es noch das Funkkabel, das Lenkrad, von dort das Laptop um dann über meine Hose und das Sitzfell nach unten zu rutschen.

Mittlerweile fahren wir fast nur noch auf Flüssen oder durch Flussbetten über Treibholz. In einem dieser engen Flussläufe trafen wir Vitali und Kirill. Beide leben in einem 2,5 x 2,5 m großen, einfachen Zelt und arbeiten daran, einen Mitte Dezember in Nalid Ice eingebrochenen 6x6 Urla-Truck aus dem Eis zu befreien. Der Wagen ist ein einziger riesiger Eisklumpen. Der Trick besteht nun darin, den LKW als ganzen Eisblock aus dem Fluss zu lösen und diesen rund 9 x 3 x 1,5 m großen Brocken mittels einer Eisrampe und zwei weiteren Trucks aus dem Fluss an Land zu ziehen.
Eine Mörderarbeit. Diese wird ungefähr zwei Wochen dauern. Danach braucht man nochmals rund eine Woche um den Truck mittels großer Bunsenbrennern aus dem Eisblock raus zu tauen und rollbereit zu machen. Ein anderer Truck wird dann das havarierte Fahrzeug 200 km in die nächste Ansiedlung schleppen, wo die Reparatur beginnen kann.

Wir hoffen Syrianka in rund sieben Stunden zu erreichen.

Matthias Jeschke















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11.02.2009: Wir kriechen mit 5 km/h daher und sind eigentlich viel zu langsam. Die extrem heftigen, harten und buckeligen Winterwege lassen aber keine höheren Geschwindigkeiten zu. Nach rund drei Tagen mehr oder weniger nonstop Fahrt ab Ust-Nera (wir schliefen immer nur ein paar Stunden in der Taiga) sind wir gestern Nachmittag in Syrianka angekommen. Wir begannen sofort mit der Suche nach einer warmen Garage und einer Übernachtungsmöglichkeit. Beides fanden wir dank sehr freundlicher russischer Helfer. Die Garage hatte genug Platz für die Autos und Anhänger und man ließ uns trotz der sonntäglichen Pause mit der Kontrolle der Fahrzeuge und Anhänger sowie der Instandsetzung verschiedener Beschädigungen beginnen.

Parallel kaufte ein Teil des Teams weitere Vorräte für die kommenden 1500 km bis Belibina ein. Konstantin organisierte ein Zimmer für uns (5 Mann auf 3,5 x 3,5 m), wo wir uns wieder mal ausstrecken konnten - siehe hierzu auch Ulis Anmerkungen/Anekdoten**. Irina, die freundliche ältere Hausdame kochte sogar für uns und wir konnten in der Zwischenzeit ein paar Sachen waschen.

Matthias Jeschke

** Ulrich Kaifer:
Endlich wieder ein Hotel

Wir hatten ein kleines nettes Apartment mit einem Zimmer und kleiner Küche.
Das Badezimmer machte einen super Eindruck. Ich hatte die Ehre als erster duschen zu dürfen und nahm nach drei Tagen Abstinenz dankend an. Im Gegensatz zu allen anderen bisherigen Duschen hatte diese sogar eine Duschkabine was insofern ganz nützlich sein kann, als dass man das Bad nicht jedes mal komplett fluten muss. Als ich in die Kabine stieg merkte ich jedoch sofort, dass ich weit gefehlt hatte. Die Kabine war erstens nicht auf der Duschtasse befestigt, so dass diese schräg saß und zweitens sich die Tür nicht richtig schließen ließ. OK, dann wohl doch fluten. Viel schlimmer war jedoch, dass sich die Temperatur des kleinen Wasserstrahls nur zwischen kochendem Wasser und eisig kalt regulieren ließ. Als ich endlich nass war musste ich zudem noch feststellen, dass sowohl mein Shampoo, sowie die Waschlotion in meinem Kulturbeutel, welcher während der Fahrt unter der hinteren Sitzbank lagert, gefroren waren. Beim Ausstieg hielt ich mich dann noch grob fahrlässig an der Handtuchstange fest, welche sich dann von der Wand löste und in Ihre Einzelteile zerfiel. Trocken, sauber und glücklich verließ ich dann schließlich das Bad.

Ein weiteres kleines Missgeschick passierte mir wenig später. Wir hatten die Möglichkeit unsere dreckige Wäsche in einer Maschine zu waschen. Kaspar hatte sich darum gekümmert und kam erstaunlich schnell mit gewaschener aber feuchter Wäsche zurück. Die Waschdauer kann nicht mehr als 20 Minuten betragen haben. Die Heizung war nicht wie sonst immer in Russland auf Sauna gestellt. An einem roten Drehknopf an der Seite wollte ich dies ändern. Was man wissen muss, normalerweise laufen die Heizungen in Russland auf vollen Touren, die Raumtemperatur wird nur über das Öffnen der Fenster reguliert.

Die Tatsache eines roten Drehknopfes hätte mich eigentlich stutzig machen müssen, aber als mehr oder weniger Anfänger in diesen Breiten habe ich diesen mal beherzt aufgedreht. Das Öffnen des ziemlich großen Entlüftungsventils hatte zur Folge, dass die doch relativ frisch gestrichene Wand mit einer nicht ganz unerheblichen Menge ziemlich brauner Brühe versaut wurde. Ich war so verdutzt, dass ich das Ventil auch erst nach geschätzten drei Sekunden wieder zudrehen konnte. Die Wand konnte ich ganz gut reinigen, die Pfütze in der Raumecke überließ ich Ihrem eigenen Schicksal. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen.

Danach hatten wir einen ganz netten Abend in unserer kleinen Küche. Die Dame an der Rezeption machte uns ein warmes Abendessen aus Lebensmitteln, die wir für diesen Zweck eingekauft hatten. Nach zwei :biglaugh: und dem warmen Essen war ich im Nu so müde, dass es mir schwer viel nicht am Tisch einzuschlafen.

Kaspar und ich durften uns als Dienstälteste das Bett teilen, der Rest schlief mit Schlafsäcken auf dem Boden. Es gab jedoch nur eine Decke für uns zwei. Ich beschloss mir aus zwei Bezügen meine Bettdecke zu bauen. Dies ging anfänglich auch ganz gut, ich schlief sofort ein, wachte aber in der Nacht wieder auf weil mir kalt war. Nach langem Kampf gegen den allseits bekannten Schweinehund zog ich mir einen Pullover an, fror dann aber weiter an den Beinen und hatte keinen sonderlich guten Schlaf.

Insgesamt war ich aber doch ganz froh mal wieder in der Zivilisation gewesen zu sein, geduscht und in einem Bett geschlafen zu haben.
 
armin

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Noch zu keinem Zeitpunkt wurde uns die Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der russischen Bevölkerung nicht zuteil. Und ohne die freundlichen russischen Helfer wird es hier sehr schwierig bis unmöglich. Du brauchst mal schnell ein schweres Werkzeug oder ein Schweißgerät oder eine Drehbank oder eine Garage oder was auch immer. An dieser Stelle möchten wir zwischendurch wieder einmal allen, die wir kennen lernen durften weil sie uns halfen, und denen, die für das Einsatzteam unbekannt etwas tun oder taten, sei es im Vorder- oder im Hintergrund, vielen, vielen Dank sagen.

Am nächsten Abend ging es weiter auf eine 380 km lange, nervenzehrende Fahrt auf dem Fluss Kolymar. Diese mit Eislöchern gespickte Buckelpiste (entstanden aus Luftblasen, die von Trucks eingedrückt wurden) hatte es in sich. Hundertfach schlagen die Reifen durch, brechen wir in Messerscharfe Eislöcher ein oder durchfahren sie, überfahren wir Steine, Baumstämme etc. Dass wir weder an einem der Anhänger, noch an einem der Jeeps bisher einen Reifenschaden hatten, bestärkt mal wieder meine Überzeugung, dass wir mit dem Goodyear Wrangler MT/R den besten Geländereifen der Welt auf unseren Expeditionen einsetzten.

Wir benötigten für die nonstop Fahrt mit bis zu -50°C - während derer wir auch den Arctic Circle überquerten - rund 16 Stunden und kamen geschlaucht in Schritniekolimsk, einem Dorf in the middle of nowhere an. Dort angekommen wurden wir binnen Minuten von Journalisten und Einwohnern begrüßt. Es ist ein wirklich schönes kleines Dorf, das an das Ufer der Kolymar aus Holz gebaut wurde. Es ist aufgeräumt und die kleinen eigenen Häuser sind größtenteils hübsch zu Recht gemacht und gepflegt. Das dieses kleine Dorf, in dem neun Monate im Jahr Winter herrscht, auch Stadtrechte besitzt, geht - wie wir hörten - auf eine Geschichte während der Zeit von Katarina II zurück.

Auf Grund der extremen Winterwege, die uns und unserem Material alles abverlangen, müssen wir alle paar hundert Kilometer kontrollieren und reparieren. Zum Glück hatten wir auch dieses Mal eine kleine Garage, in der es um null Grad war und wir die Arbeiten erledigen konnten.

Wenn man sich fragt wie die Wege, die wir fahren sind, so kann man nur sagen, dass viele normale Geländewagen diese schon auf Grund der Böschungswinkel kaum hätten meistern könnten ohne sich die Stoßstange etc. abzureißen. Man kann kaum beschreiben wie zerstörerisch sie sind. Tausende von Löchern, hohen Wellen, Ästen, Baumstämmen, steile Auf- und Abfahrten in Flussbetten etc. Und wir zerren dort auch noch die Trailer durch. Das dies nicht bis ans Ende ohne Schäden geht ist allen klar. Wann wir jedoch das erste größere Problem haben würden konnte keiner sagen. Dass es aber nicht mehr lange dauern konnte bis irgendetwas nachgab war klar. Heute Nacht war es dann soweit. Es passierte in einem Hohlweg ca. 50 km hinter Schritnikolimsk. Rechts und links eine 1 m hohe Böschung. Der Weg war so schmal, dass immer nur einer durchfahren konnte und mit hohen Wellen und Brüchen versehen. Dort zerrten wir die Trailer im ersten Gang mit Untersetzung und Sperren durch, als ich meinen plötzlich im Rückspiegel vorne in die Luft ragen sah. Zuerst dachte ich die Anhängerkupplungen seien auseinander gerissen, was aber nicht der Fall war. Es war der Rahmen, an dem ein Teil abgebrochen war. Nun hieß es improvisieren. Und das - wegen der Kälte und weil große Uraltrucks vor und hinter uns auf die Durchfahrt warteten - schnell. Mit Spanngurten bauten wir eine Behelfslösung und machten nach rund einer Stunde die Gasse frei, indem wir uns etwa 300 m weiter in die Böschung schlugen.

Nachdem die Trucks passiert hatten, mussten wir noch auf schwierige Art und Weise wenden und fuhren sehr langsam zurück in ein kleines Dorf mit Namen Nalimsk, welches wir vor ungefähr 30 km passiert hatten. In dem Dorf, in dem ausschließlich Jakuten auf traditionelle Art und Weise mit der Natur leben, fragten wir den Bürgermeister wer uns ein Schweißgerät zur Verfügung stellen oder uns etwas schweißen könne. Er sagte uns, dies sei nur morgen früh möglich und lud uns ein in seinem Bürgermeisterzimmer zu übernachten. Zwischen Stühlen, Fahnen und Tischen schliefen Ulrich Kaifer, Kaspar Mettler, Marco Schwarzer und Konstantin Savva, während ich in meinem Wagen blieb um sicher zu stellen, dass die Motoren bei -50°C gut durchliefen.

Am nächsten Morgen organisierte der Bürgermeister wie versprochen die Reparatur. Ivan, der Schweißer des kleinen Kohleheizkraftwerks des Dorfes, nahm uns mit zu sich nach Hause. Er hatte einen kleinen Transformator mit dem er ein elektrisches Schweißgerät betreiben konnte. Nachdem er Felle unter dem Anhänger ausgebreitet und aus einer alten Stahltürzarge vier Verstärkungsteile hergestellt hatte, begann er mit richtigen Schweißen. Die Reparatur inkl. der präventiven Maßnahmen dauerte den ganzen Tag - draußen versteht sich, weil es keine Garage gab. Zwischenzeitlich lud er uns noch zu Tee und Gebäck, anschließend sogar noch zum Pferdefleisch essen ein. Da sich in dem traditionellen Hauptgericht auch eine ausgiebige Menge Pferdedärme befand, fiel es einem Teil des Teams nicht leicht der Höflichkeit halber die von der anwesenden Schwiegermutter randvoll gefüllten Teller zu leeren. Gegen 17 Uhr wollten wir aufbrechen und befuhren langsam die Dorfstraße, als immer mehr Kinder und Jugendliche um uns herum auftauchten. Auch Erwachsene kamen, aus Fenstern wurde gewunken.
Wir hielten wieder und wieder an, erklärten, ließen auf den Autos unterschreiben und mussten Fotos machen. Abschließend bug man für uns sogar noch frische Brote für den 700 km langen harten Weg, im mehr oder weniger Schritttempo nach Tscherskie, der nun vor uns liegt. Bei einsetzendem Schneefall fuhren wir los.











 

Rolf

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Hhmmm.................gekochte Pferdedärme............lecker. :inlove: :wave:


Ein faszinierender Bericht, man mag nicht mehr aufhören zu lesen.

Danke Armin für die Übermittlung. :biglaugh:


Gruß
Rolf
 
armin

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19.02.2009:
Es war eine harte Etappe mit vielen Hindernissen bis Bilibino, aber im Endeffekt kamen wir durch.


Das Team ist in Bilibino, die Fahrzeuge und Trailer auch.
Ein Hammer was uns alles auf dem Weg ab Shishmaref ereilte. Wir hatten und haben keine Leistung am F1, schlugen uns mit festgefrorenen Bremsen in Tscherski rum, erhielten die Nachricht nicht nach Tschukotka einreisen zu dürfen, verloren ein komplettes Rad inklusive Bremsentrommel, etc. am Trailer2, hatten durch Eis blockierende Räder an beiden Trailern und das F1-Gespann rutschte in den Graben.

Der Reihe nach:
Als wir bei Eiseskälte vor Tscherski immer langsamer wurden und wir schließlich durch die Leistungsprobleme des F1 und den dadurch entstandenen Mehrverbrauch 5 km vor der Stadt auch noch eine Nachtankaktion durchführen mussten, war die Anspannung groß. Zum Bersten war sie bei mir als ich zum gleichen Zeitpunkt von Jürgen Graf die Nachricht erhielt, wir müssen in Tscherski stehen bleiben und dürfen nicht nach Tschukotka einreisen, da uns keine Sondergenehmigung erteilt worden ist. Ich bin bald geplatzt - was war nur passiert? Eiligst telefonierte ich mit Jürgen und erhielt die Info, dass von uns benötigte Versicherungspapiere nicht bei den Behörden eingetroffen waren, woraufhin diese korrekterweise die Genehmigung ablehnten. Und das rund 40 km vor der Territoriumsgrenze. Dass wir spät in dieser Nacht doch noch die Einfahrtserlaubnis erhielten, verdanken wir Personen, Behörden und Institutionen, die uns vertrauten. Vielen Dank an dieser Stelle an alle beteiligten Personen und Stellen (als wir am nächsten Abend laut GPS-Koordinaten die "Grenze zu Tschukotka" erreichten, zelebrierten wir den Übertritt natürlich in Ehren).

Wir schafften es dann mit nur noch möglichen 1000 1/min des F1 in der Untersetzung bis in die Stadt Tscherski, wo wir von der Polizei schon erwartet wurden. Man hatte seit langem auf uns gewartet und war froh uns unversehrt zu empfangen. Nach der obligatorischen Kontrolle und nachdem wir die Expedition bei den Zuständigen gemeldet hatten brachte man uns mit unseren Wagen zu einer warmen Garage, wo das Team noch einige zeit kontrollierte und reparierte um dann erschöpft auf den Sitzen in der Garage einzuschlafen. Eigentlich nur geplant für rund 2 Stunden um danach gegen 4 Uhr morgens wieder Richtung Bilibino aufzubrechen. Aber geweckt haben uns dann die ersten Arbeiter um 10.00 Uhr.

Wir hofften die Leistungsprobleme des F1 seien gefrorenes Wasser aus den Zusatztanks, was sich leider nicht bestätigte. Und so entschied ich mich, dass wir unsere langsame Fahrt ohne Leistung auf der nächsten - 380 km langen - Etappe Richtung Tschukotka fortsetzten. Just in dem Moment wo wir aus Tscherski abfahren wollten und die Trailer anhängten, stellten wir fest dass meine Bremsen am Trailer1 zugefroren waren. Also mussten wir mit russischen Brennerlampen* diese erst freibrennen. Nette Arbeit bei -50° C, welche uns auf dieser Etappe aber nochmals bevorstand. Nur wussten wir das zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht.

Kurz hinter Tscherski, mitten auf der Kolymar trafen wir dann auf den verunglückten Truck. Dieser war nur 10 Tage zuvor in das Eis eingebrochen, obwohl er auf der Hauptspur fuhr. Wahnsinn. Zum Glück war ein zweiter Truck dabei, der die beiden nassen Fahrer aufnahm, die sich in letzter Sekunde aus dem Fahrerhaus befreien konnten. Sie wären sonst binnen Minuten erfroren.

* Brennerlampen sind für alle Arktik-Trucker unersetzlich. Sie verbrennen mit einem einstellbaren Feuerstrahl Benzin - in unserem Fall auch Ethanol - welcher auf gefrorene Teile gehalten wird. So können z.B. die Ölwanne, das Getriebe, die Achsen, die Bremsen aufgetaut werden.

Der Verlauf der Straße führte uns dann über viele Kilometer auf der Kolymar und einem Nebenarm weiter Richtung Nordosten. Die Temperaturen lagen bei über -50°C als wir irgendwann nachts während eines Pinkelstopps feststellten dass an Kaspars Trailer (T2) ein Rad samt Felge, Reifen, Bremstrommel und Distanzscheibe fehlte.

Die Strecke war mittlerweile seit rund 100 km zu einer schmalen Spur geworden und schwierig zu befahren. Da das Rad irgendwo verloren gegangen sein konnte und wir in der Nacht keine Chance haben würden es zu finden, entschieden wir auf drei Rädern weiter zu fahren (wie wir dies auch auf der kommenden 380 km langen Strecke von Bilibino nach Pevek tun werden. Dort erwarten wir das benötigte Ersatzteil zu erhalten).

Wir durften besser nicht stehen bleiben bei dieser Kälte, zu der nun auch noch Wind kam. Das wir dann doch noch 3 Stunden an diesem Platz verbrachten hatte damit zu tun, dass ich - als Kaspar losfahren wollte - sah, dass zwei Räder am T2 blockierten. Die Bremsen waren eingefroren. Um weiter fahren zu können und nicht Gefahr zu laufen, dass uns dies nochmals passiert (wahrscheinlich war dies auch die Ursache für den Verlust des Rades), entledigten wir uns kurzerhand der Bremsfunktion am T2 indem wir das Bremsgestänge auseinander schraubten und die Bremsbacken an den blockierten Rädern in einer heftigen Reparaturaktion (Stichwort Brennerlampen) auf der Winterstraße ausbauten (später in Bilibino haben wir dann sämtliche irgendwie zur Bremse gehöhrenden Teile an T1 und T2 ausgebaut).

Im Verlauf der weiteren Fahrt, widmeten wir uns der weiteren Fehlersuche am F1. Mit dem Diagnosecomputer prüften wir sämtliche Paramater, führten Tests durch und verglichen die Daten der beiden Wagen im Fahrbetrieb. Ich saß gerade im F2 und wertete mit Kaspar Informationen aus, als über Funk das nächste Hindernis auf dem "steinigen" Weg nach Bilibino durchgegeben wurde: "Matthias, Schei***, ich hab mich total festgefahren". Im dichten Schneetreiben war das F1 Gespann nach links von der Straße abgekommen und in einen Graben gerutscht. Dabei war der Trailer umgekippt und lag auf der Seite. Nicht lange nachdenken hieß es und anpacken. Schnellstens mussten beide Fahrzeuge geborgen werden. Wir lösten zunächst den Trailer vom Wagen und stellten ihn mit winchen auf die Räder. Dann zogen wir ihn mit den Warn Winden und Umlenkrollen auf die Straße. F1 zu bergen war etwas schwieriger weil er tief im Schnee steckte und der Motor aufgrund der starken Schräglage ausging. Ihn mussten wir erst freischaufeln. Dann zogen wir auch dieses Fahrzeug mit Winde und Umlenkrolle aus dem Graben. Saubere Leistung der Winden, kann das Team nur sagen.

Nach weiteren 20 km erreichten wir endlich Bilibino. Was uns hier erwartete überraschte uns aber nochmals.

Matthias Jeschke

to be continued...











 
armin

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19.02.2009: Fortsetzung

Was uns in Bilibino erwarten würde wussten wir nicht. Wird es eine Unterkunft, evtl. sogar ein kleines Hotel, eine Garage geben? Wie werden die Behörden reagieren wenn wir ankommen? Was können wir hier alles erledigen?

Wir fuhren langsam auf die Stadt zu. Sie liegt an einem windgeschützten Platz rundum umgeben von hohen Bergen. Als wir nach einem verschneiten Pass in die Hauptstraße einbogen, wurden wir als allererstes von der Verkehrspolizei kontrolliert. Die Beamten waren sehr freundlich und gaben uns noch die ein oder anderen Information. Konstantin hatte, ohne dass ich davon wusste, schon vor Wochen seine Kontakte angesprochen, um uns anzukündigen. Da es nicht klar war ob alles klappen würde, sagte er nichts. Umso größer war seine und unsere Freude. Er hatte perfekt vorbereitet.

Wir wurden erwartet, und zwar von Freunden Konstantins und der Minengesellschaft Kupolgold. Man hieß uns herzlich willkommen und quartierte uns in eine saubere, bestens ausgestattete Wohnung mit Dusche, Toilette, Waschmaschine, etc. ein, die eigentlich Unternehmensangestellten vorbehalten ist, die auf dem Weg in die 200km entfernte Goldmine Zwischenstation machen. Nicht nur das, man integrierte uns in den Betriebsablauf und kocht nun morgens, mittags, und abends für uns. Man wusch sogar unsere Wäsche. Es ist wirklich großartig. Vielen Dank an dieser Stelle an das Management von Kupolgold.

Auch die Garage wurde über die Kontakte von Konstantin organisiert. Wir erhielten Platz um beide Wagen und beide Trailer ins Warme zu stellen - das gab’s ganz selten. Als dann auch noch ein Mechanikerteam anrückte um mit uns zu arbeiten ging es nicht mehr besser.

Zu insgesamt elft haben wir dann die nächste große Umbauaktion und Reparatur der Trailer und Jeeps in Angriff genommen. Nachdem die Trailer wichtiges Equipment über die harten Pisten bis Bilibino transportiert haben und wir nun weniger Equipment weiter transportieren müssen, wurden die Anhänger nochmals gnadenlos erleichtert und noch besser gegen die Kälte gewappnet. Zusätzlich bauten wir die 1000 l Tanks aus und entfernten weitere, überflüssig gewordene Träger und Platten. An den Jeeps führen wir schon Umbauaktionen durch, die wir für den Aufbau des Notschwimmsystems brauchen (Hydraulikaufnahmen vorne und hinten) und montierten die Schwimmreifen vor, d. h. Auf die Anhängerräder. Das ging von Hand von statten, was einen erheblichen Kraftaufwand bedeutete. Und das 8x als komplette Ummontage. Auswuchten gibt’s dann natürlich nicht. Parallel hat Marco an seinem extra eingerichteten Schnittplatz angefangen das nächste Video zu schneiden.

Eigentlich hatten wir damit gerechnet am Donnerstagmorgen nach Pevek aufbrechen zu können. Daraus wurde allerdings nichts. Seitens des russischen Katstrophenschutzes erging über die deutsche Botschaft in Moskau eine Warnung an uns, nicht aufzubrechen. Es wurde ein Orkan/Schneesturm über dieser Region erwartet, der mit über 37 m/s heftig ausfallen soll. Einhergehend sollen die Temperaturen auf -60°C absinken. Das Gute daran ist, dass wir diese Nachricht in Bilibino erhielten und noch nicht auf dem Weg waren. Insofern hat es wieder einmal gepasst und unsere Probleme haben im Endeffekt eine Schutzwirkung gehabt. Da wir sonst schon wieder auf dem Weg und voll in den Sturm geraten wären. Das Negative ist, dass es nach dem Orkan keine Winterwege nach Pevek oder wo immer der Sturm entlang fegt mehr geben wird.

Als Aufbruchtermin haben wir nun Samstag vorgesehen.

Matthias Jeschke









 
Rumpelstilzchen

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Mensch Armin,

Jetzt hab ich mich in einem Rutsch durch den ganzen Bericht durch gelesen. Einfach HAMMER !!!

Hab aber trotzdem noch eine wichtige Frage dessen Antwort deinerseits mich jetzt schon hippelig werden lässt.

Ehm..... bei so viel Investition und Technik...... habt ihr das ganze regelmässig gefilmt und gibts ne DVD daraus ???


Ansonsten..... weiter so und vielen Dank für diese tollen Berichte!

:smilewinkgrin:
 
armin

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Hallo,

naja ich denke schon. Die gesamte Tour wird ja von einem professionellen Team begleited.
Wie genau weiss ich aber auch nocht nicht..
Es wird wohl auch ein Buch verlegt mit vielen Bildern...
 
armin

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Genau richtig ;-)
http.//www.pny2009.com

... ich schreibs eigentlich auch immer wieder rein... da gibts noch mehr bilder etc...
Werde das trotzdem fortlaufen hier reinstellen weil ich mit denke dass viele nicht so oft dran Denken dort reinzuschauen aber doch oft hier im Jeepforum sind...
 
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23.02.2009: Glücksbringer und Aufbruch nach Pevek (05:09 Uhr MEZ)

So viele Menschen wünschten uns Glück. Sei es mit Worten, Schreiben oder durch die Übergabe von Glücksbringern. und tatsächlich stieß uns bisher nichts Ernsthaftes zu. Vielleicht hat das auch mit all den guten Wünschen zu tun, die wir gemeinsam mit vielen Glücksbringern erhielten. Alle sind an Bord. Es sind zwei Rosen, die wir in Berlin von unserem Partner Packwolf erhielten (mittlerweile nur noch die Stängel), Amulette, Hufeisen, Ikonen, spezielle Geldscheine, Geldstücke, persönliche Kugelschreiber, Glückssprüche auf die Autos geschrieben, Wimpel, Anstecker, Abzeichen, Aufkleber, und und und. In Bilibino erhielten wir den bisher größten Glücksbringer: ein Elchgeweih. Als ich es montieren wollte und mit dem Geweih in der Hand nach einem geeigneten Platz an den Gespannen suchte, hatte ich das Gefühl, es wäre am besten auf dem Anhänger ganz oben aufgehoben.
Ich hielt es in einer Hand und kletterte hoch. Als ich es auf die Hydraulikarme legte um zu sehen wie ich es befestigen könnte, sah ich das der Haupthaltegurt der schweren Eisenteile zwar in Position - jedoch durch eine Metallkante zerschnitten war. Wir hätten bei einer Schräglage der Anhänger diese schweren Teile verlieren können. Nicht auszudenken was das für eine Arbeit bedeutet hätte sie wieder zu aufzuladen. Soviel zum Thema funktionierende Glücksbringer.

Die Gastfreundschaft in Bilibino war wirklich sehr groß. Man lud uns zum Essen ein, man brachte uns mit Personen zusammen, die wichtig für uns waren, man kochte für uns, man gab uns Ausrüstungsgegenstände mit und man gab uns viel Wissen über die Region und die Straßen weiter. Am Tag vor unserer Abreise lud uns Major Garvasin dann noch zu einer Feierstunde des Militärnachwuchses ein. Für uns war es eine besondere Geste des Vertrauens seitens dieses Mannes und wir waren gerne zu Gast.
Wir wurden als Ehrengäste vorgestellt und man gab mir die Möglichkeit eine kurze Ansprache zu halten. Vielen Dank an dieser Stelle nochmals für das Vertrauen. Nachdem wir uns dann von allen und insbesondere von unseren Mechanikerfreunden Konstantin, Maxim, Alexey, Ingor, Ignat, Slava und seinem Sohn sowie von Major Garvasin und den Chef des Katastrophenschutzministeriums Vadim verabschiedet hatten, ging es bis zur Stadtgrenze im Konvoi mit vielen Autos, die uns eskortieren wollten - an winkenden Kindern und grüßenden Erwachsenen vorbei - hinter den Bulldozern her. Bilibino und seine Menschen waren wirklich sehr freundlich.

Als auch das letzte Begleitauto gewendet hatte waren wir wieder allein und optimal vorbereitet den auf Grund der Wetterbedingungen und des hohen Schnees bisher schwierigsten Winterweg in Angriff zu nehmen: 380 km Bilibino - Pevek.

Matthias Jeschke











Viele neue Bilder und Kurznachrichten unter: http://www.pny2009.com
 
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28.02.2009: 22. Kurzmeldung (03:16 Uhr MEZ)
Fahren schon 700 km(!) mit 0,4-0,6 bar auf den Wranglern MT/R. Durchschnittliche Geschwindigkeit 5-25 km/h. Fahrzeuggewicht ca. 3,5 t plus Anhänger. Keinerlei Beschädigung oder Schwächung zu erkennen. Aktuelle Position in einem engen Tal nach der Wetterstation. Vorankommen gut.

28.02.2009: 23. Kurzmeldung (08:00 Uhr MEZ)
Habe mir beim Durchstoßen einer großen Schneewehe meinen Unterfahrschneeschutz abgerissen. Haben gerade eine 5 stündige Reparatur hinter uns gebracht. Ätzend. Sind bei GPS-Koordinaten: N 68 22`51" / E 174 58´12"
Fahren weiter. Einsetzender Schneefall. Team angespannt. Fahrzeuge sonst einsatzbereit.

28.02.2009: 24. Kurzmeldung (16:01 Uhr MEZ)
Kämpfen uns durch dichtestes Schneetreiben, Kilometer für Kilometer. Konnten bisher nicht anhalten, sonst wären wir morgen früh eingeschneit. Haben versucht Schutzhütte rund 200 km von Wetterstation entfernt zu erreichen aber nicht geschafft. Schneeverwehungen sind zu extrem. Haben uns eben noch 2 Stunden durch eine Steigung geschaufelt. Team schläft jetzt. Ich versuche mit F1 ohne Trailer noch durch Schneewehen zu kommen um hier oben nicht eingeschneit zu werden. Luftdruck 0,2 bar. Kraftstoffreserven ok, Essen ok, Team/Fahrzeuge ok.

01.03.2009: 25. Kurzmeldung (02:19 Uhr MEZ)
Haben 4 Stunden geschlafen. Dann wieder Plackerei ohne Ende. Die nächsten schweren Steigungen, sind jetzt ca. 500m von der ersten Passhöhe entfernt, schaufeln und winchen seit Stunden. Geht nur so: F1 rückwärts versuchen hochzukommen, wenn geschafft Spur brechen nach unten, dann T1 hoch, dann F1 zurück und F2 Gespann absichern oder hoch winchen…
Meldung überholt vor dem Absenden: Haben soeben mit beiden Gespannen erste Passhöhe erreicht! Die Pacific Ocean Wasserscheide!

01.03.2009: 26. Kurzmeldung (06:08 Uhr MEZ)
Haben auch zweiten Pass überwunden. Sind jetzt vor drittem Pass. Wetter hat aufgeklart. Exakt wie vom Deutschen Wetterdienst vorausgesagt haben wir ab heute Mittag einen kurzen Hochdruckeinfluss in unserem Fahrgebiet. D.h. seit Tagen sehen wir zum ersten Mal wieder die Sonne. Schutzhütte noch nicht erreicht.

01.03.2009: 27. Kurzmeldung (10:18 Uhr MEZ)
Haben Schutzhütte 30 km vor drittem Pass erreicht. Hier ist ein Bulldozer stationiert. Müssen überlegen wie es weiter geht. Der Pass ist zugeschneit. Laut dem Dozerfahrer keine Chance durchzukommen. Er hat den Pass heute Morgen freigeschoben, über 5m Schneehöhe. Allerdings direkt hinter ihm durch starken Wind wieder zugeweht. Hat jetzt keinen Sprit mehr, nur soviel, dass Dozer nicht abgestellt werden muss. Kann den Pass nicht nochmals frei machen. Kraftstoff trifft erst in ca. 5 Tagen ein. Sche***.
Die beiden Männer, die hier seit 5 Jahren in der Einsamkeit leben, sind sehr freundlich. Haben warmes Essen erhalten und Infos ausgetauscht. Zwei LKW mit insgesamt 20 Personen an Bord, die einige Tage vor uns gefahren sind, sind bisher nicht in Valonisti (Mine rund 170 km Richtung Egvekinot von dieser Schutzhütte entfernt) eingetroffen. Man versucht rauszufinden wo sie sind. Eine Kommission, die von Egvekinot Richtung Pevek aufgebrochen ist, steht rund 250 km von hier und kann ebenfalls nicht weiter. Wir werden jetzt die Nacht hier bleiben und morgen versuchen den Pass zu erreichen. Dann sehen wir was geht und was nicht. Könnte schlimmstenfalls bedeuten, dass wir aufgrund der Stürme hier festsitzen.
Diese Gegend hier ist wirklich Wahnsinn. Gigantische Weiten, teilweise Schneeverwehungen der Größenordnung eines Hauses.
Ansonsten: Team erschöpft aber wohlauf, Kraftstoffreserve 500 Liter plus zwei halbe Haupttanks, Essensreserve ok, Fahrzeuge ok - auch wenn ich heute einen sehr harten Einschlag mit F1 in eine Wehen zu verzeichnen hatte und ein Abrutschen in den Graben.

02.03.2009: 28. Kurzmeldung (00:09 Uhr MEZ)
Heute Morgen hatte Schutzhütten-Team Funkkontakt nach Valonisti, nachdem die Verbindung gestern Abend immer wieder abgerissen ist. Hörten dass ein Rettungstrupp auf dem Weg zu den zwei eingeschneiten Trucks ist, die vor uns sind. Die Rettungsmannschaft ist um 4 Uhr heute Morgen aufgebrochen und hat in 5 Stunden 30 km geschafft.
Wir brechen jetzt auf um die Gelegenheit zu nutzen. Wenn wir es nicht schaffen, ist ein Rettungstrupp wenigsten in der Nähe. Haben jetzt noch 170 km bis Valonisti vor uns. Während des Funkverkehrs bat man uns - sollten wir die Eingeschneiten vor dem Rettungsteam erreichen - um Kontaktaufnahme per Satellitentelefon um eine Einschätzung zu erhalten wie es den Personen geht.

02.03.2009: 29. Kurzmeldung (06:37 Uhr MEZ)
Haben soeben nach 6,5 Stunden schaufeln und winchen bei bestem Wetter die von der Schutzhütte 19km entfernte Passhöhe des sogenannten dritten Passes nach Pevek erreicht. Geil!
Ein schier unglaubliche schönes Panorama hier oben! Die Spuren des Dozers waren stark zugeweht. Lediglich die 3-4 Meter tiefen "Tunnel", die er gegraben hatte, waren noch nicht zu. Luftdruck F1 0,2 bar vorne und hinten. Temperatur ca. -35°C. Da wir unterwegs aus meinen beiden Dachtanks und meinem Hecktank durch Schrägstellen des Fahrzeugs so ziemlich die letzten Liter rausgeholt haben, haben wir immer noch 500 l Kraftstoffreserven puls je einem halben Tank.

02.03.2009: 30. Kurzmeldung (15:57 Uhr MEZ)
Haben soeben den 1000sten Kilometer härtester Offroad-Strecke, Schnee und Eis mit Temperaturen niemals höher als -20°/max. -56°C mit 0,5 bar oder weniger mit den 8 MT/Rs an den beiden Fahrzeugen ohne jeden Schaden gefahren!!!! Danke Goodyear!
Sind durchgekommen bis zu der Stelle wo die Trucks eingeschneit gewesen sein mussten. Die Spuren, die wir sahen deuteten darauf hin, dass sie als erstes von einem russischen Kettentransportfahrzeug erreicht worden sein mussten. Ca. 10 km weiter trafen wir dann auf das größte CAT Kettenfahrzeug der Welt - einen D10. Wirklich unglaubliche Dimensionen. Alleine der Fahrerkabinenboden befindet sich in gut 4 Metern Höhe. Der Einfachheit halber zieht er hinter sich einen riesigen Schlitten her, der gleichzeitig ein Haus, ein riesiges Tanklager und Schneepflug ist.
Da der D10 die Strecke schon einmal befahren hat, entschieden wir uns - wie die befreiten Trucks es auch taten – ihn zu überholen. Sind nun auf immer noch schwerer Strecke noch rund 25 km von Valonisti entfernt. Stecken in extrem starken Schneesturm. Keine 1-2m Sicht. Haben uns im "Whiteout" unter größten Anstrengungen noch eine Steigung hochgekämpft um eine sichere Position zu haben und nicht von Schneemassen eingeschneit zu werden. Weiter kommen wir nicht, da vor uns jetzt die Ural Trucks stecken und die Strecke blockieren. Müssen auf Dozer warten, der die Trucks freischaufelt. Haben sichere Position auf Bergrücken, Kraftstoffreserve 320 l und 2 halbe Tanks, Essensreserve ok, der Sturm wütet derart, dass man kaum stehen kann. Man wird umgeweht oder fällt hin. Irre, das Team ist zwar erschöpft und sehr angespannt aber wir haben deutlich an Sicherheit gewonnen. Die Entscheidung heute aufzubrechen hat sich als absolut richtig erwiesen. Wir haben in meinen Augen die einzige Chance zum Erreichen Valonistis genommen. Früher oder später keine Chance.
Der Sturm wütet so stark, dass der Schnee durch die geschlossenen Türen dringt. Es ist -24°C. Bei Wind mit ca. 35-38 km/h ist das allerdings wie -60°C. Handschuhe, Jacken, Mützen in Minuten steif gefroren mit dicker Schneekruste. Stehen ungefähr seit 15 Minuten an dieser Stelle. Links neben mir hat sich bereist eine ca. 50 cm hohe und ca. 3 m lange Verwehung gebildet.

03.03.2009: 31. Kurzmeldung (00:49 Uhr MEZ)
Expedition steckt gemeinsam mit Anderen in heftigstem Schneesturm fest. Nichts geht mehr. Nachdem der D10-Fahrer die ganze Nacht versucht hat durch die Schneemassen zu brechen, hat er gegen 7 Uhr zunächst aufgegeben. Solch ein Sturm -sagen selbst diese erfahrenen Fahrer - haben sie bisher nur einmal im Leben erlebt. Es war unglaublich heftig und ist es momentan immer noch - wobei es schein, als ob nun eher der Wind gefallenen Schnee verwirbelt, als dass Neuer hinzukommt. Laut Auskunft der 20 km entfernt liegenden Mine von der sie aufbrachen, kann keiner sagen wie lange wir ausharren müssen bevor sie versuchen weiterzukommen. Es gibt null Sicht. Alles aber, wirklich alles, ist weiß. "Whiteout" heißt diese gefürchtete Situation.
Gestern Nacht spielten sich noch unglaubliche Szenen ab. Eine davon war, dass der Truckbus, in dem wir die 20 Personen vermuteten, zurück gelassen wurde. Wir wissen nicht ob sich Personen darin befanden. Er konnte nicht aus den Schneemassen befreit werden. Ein weiterer 8x8 Truck wurde frei geschoben. Um nun an den riesigen Schneekratern vorbeizukommen, die er bei der aktion hinterließ, fuhr der D10 eine Schleife durch den Tiefschnee. Dabei zerrte er noch hinter seinem Schlitten einen Uraltruck 6x6 mit, der dabei auf die linke Seite fiel. Ich rannte, fiel, robbte mich durch die Rinne um im wahrsten Sinne des Wortes zu ertasten ob wir da durch kommen würden. Zum Glück war durch den breiten Schneeraumschlitten rechts gerade soviel Platz, dass unsere Wagen nicht in die Rinne fielen, die dem Ural zum Verhängnis wurde. Als wir in höchster Anspannung versuchten dem CAT zu folgen - was nur in der Untersetzung und im 1. oder 2. Gang ging, wurden unsere Motoren plötzlich heiß. Wir öffneten im Sturm die Motorhaube und sahen, dass der Motorraum - obwohl von allen Seiten spezialisoliert - über und über mit Eis bedeckt war. Wie durch unsere Türen, hatte der Sturm in den Motorraum gedrückt. Das Eis, das sich bildete, hatte dann die Elektrolüfter festfrieren lassen. Wir fuhren um den CAT nicht zu verlieren weiter, immer an der Grenze zum roten Bereich. Aktuell funktioniert mein Lüfter wieder, wohingegen F2 noch ohne ist. Es ist wirklich der Hammer hier.
Aktuelle Position: Geschätzte 4-6 km von der letzten Positionsmeldung entfernt (kein GPS-Empfang) Richtung Valonistin. Insgesamt eingeschlossene Personen an dieser Stelle: 10 in 5 Fahrzeugen, keine Verletzten o.Ä., Kraftstoffreserve Jeeps zusammen noch 320 l, Essenreserve EE-Team für 7-8 Tage, bestehende Funkkommunikation mit Mine in 20 km durch CAT-Fahrer, bestehende Satellitentelefonkommunikation.

03.03.2009: 32. Kurzmeldung (08:23 Uhr MEZ)
Es geht immer noch nichts. Stehen nach 12 Stunden immer noch an gleicher Stelle. Sturm ist wieder intensiver geworden. Mussten tanken. Haben jetzt zwei volle Fahrzeughaupttanks und noch ca. 200 l Reserve, d.h. noch ein Mal Haupttanks auffüllen + Rest für Fahrt. Kraftstoff reicht somit noch für 96 Stunden. Essensreserven ok, Trinken wird knapper. Schmelzen Schnee.
Haben uns jetzt ein Notzelt aus russischem Zeltstoff, den wir für schlimmste Fälle dabei haben, über die Fahrzeugmotorhauben gebaut, da immer mehr Schnee in Motorraum und Fahrgastraum eindringt.

03.03.2009: 33. Kurzmeldung (12:01 Uhr MEZ)
Kraftstoffreserven Bulldozer werden knapper. Dozerteam hat sich daher für Aufbruch entschieden. Sind nach 20 Stunden Stillstand gestartet. F2 wird durch den defekten Lüfter permanent sehr heiß, haben Isolationsmatten ausgebaut, Kühlergrill. Aber es wird schwer werden den Pass so zu schaffen.

03.03.2009: 34. Kurzmeldung (17:45 Uhr)
Haben es geschafft. Sind in der Mine Valonisti angekommen. Die kleine - aus der Situation des Eingeschneit-seins - entstandene Gemeinschaft von 10 Männern, hatte gerade angefangen sich gemeinsam auf evtl. schwierige Tage einzustellen (Essen wurde zusammengetragen und geteilt. Wir stellten den Topf/die Männer des Trupps schmolzen Schnee, gemeinsam kochten wir, etc., etc.), als sie sich auch schon wieder auflöste. wir gratulierten und verabschiedeten uns achtungsvoll voneinander in dem Wissen, jeder hat diese schwierige Situation sehr gut gemeistert. In 9 Stunden legten wir die 18 km zurück, die uns von der Außenwelt trennten.
Meter für Meter. 2 m vorwärts = 1-2 m Schneehöhe beseitigen. Teilweise grub sich der CAT aber auch bis übers Dach in den Schnee ein. Ich zog Kaspars Gespann mit dem F1-Gespann etwa die Hälfte der Strecke, die andere versuchte er so gut es irgend ging knapp unter dem roten Bereich zu fahren. Er ist ein wirklich guter und sehr besonnener Fahrer.
Das Wetter hat sich zwischenzeitlich zu unserem großen Glück auch ein wenig beruhigt. Es windet zwar noch, aber vergleichsweise schwach bei mäßigem Schneefall. Freuen uns nun nach 6 anstrengenden Tagen und Nächten im Auto nachher auf eine Dusche.
 
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