Foxhound
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Etwas mehr als 10 Monate sind inzwischen vergangen, seit wir am späten Nachmittag des 16. Juli 2010 unseren Jeep Grand Cherokee in Empfang nahmen. Mit ein paar Gebrauchsspuren, aber nagelneuem Motor versieht er seitdem seinen Dienst als Daily Driver. Als ich mich das erste Mal auf den Fahrersitz schwang, standen 99.642 km auf dem Tacho. Inzwischen stehen dort mehr als 120.000 km. Während seiner Zeit in unserem Besitz musste er schon für einiges herhalten: Als Umzugshilfe schleppte er Schränke, zwecks Geburtstagsfeiern schluckte er einen halben Getränkemarkt, er transportierte ohne zu motzen einen 500-Kilo-Bausatz für ein Carport zum Zeltplatz (samt Betonständer), zog ein Wohnmobil aus einem verschneiten Feldweg und zuletzt hatte er nach der Schneenacht vom 24. zum 25.12. seinen großen Auftritt als Hochzeitsauto, das zwischen Zwenkau und Leipzig sämtliche Schneewehen plattmachte.
Nun, warum eigentlich ein Grand Cherokee, wenn’s ursprünglich ein Dodge Caliber werden sollte? Ganz einfach: Nachdem ich mich auf das Innenraum-Facelift in Vernbindung mit dem neuen 2.2 Liter Diesel gefreut hatte, stand selbiger schon garnicht mehr zur Debatte, weil er nicht mehr geliefert wird. Und so traurig es wahr, auf ein neues Auto zu verzichten, wollte ich nach über zwei Jahren Rückschlagen, Sparen und Hoffen Chrysler, Jeep und Dodge treu bleiben. Aber was denn nun? Alle Chrysler-Modelle fielen von vornherein flach, ich wollte nun einen Geländewagen. Ein Dodge Ram? Zu breit für die Hofeinfahrt. Dakota? Keine in der Nähe. Durango? Siehe Ram, zu breit. Blieb Jeep, die Legende unter den Offroadern. Aber welchen? Der Wrangler war zu teuer, ebenso wie der aktuelle Cherokee. Der Patriot war hübsch, aber keine Automatik für den Diesel lieferbar - der Compass als Facelift kam erst 2011. So blieben nur die zwei ganz Dicken: Grand Cherokee und Commander. Wir hatten 23.000 Euro und im Umkreis von 100 km keine große Auswahl. Ein Commander tat es mir an, 4 Jahre alt, 47.000 km, Urlaubsauto eines wintersportbegeisterten aber nun bankrotten Anwalts. Bei der Probefahrt kam die Ernüchterung: Einfahrt breit genug, Carport zu kurz und anbei die Frage: Welches Arschloch hat eigentlich diesen Hof gebaut? Damit blieb nur der Grand Cherokee. Und so klopfte ich im März 2010 nach fast genau einem Jahr wieder bei Eulitz Motors in Grimma an. Nach einem 3-Minuten-Telefonat hatte ich einen Grand Cherokee als Vorführwagen und einen Termin. Also fuhr ich nach Grimma. Dort stand ein Traum von einem Grand Cherokee: 65th Anniversary Edition, 3.0 V6 Diesel, Dunkelblau mit beiger Lederaustattung. Dieser "Vorführwagen" entpuppte sich als Werkstattdienstwagen von 2006, also das Arbeitsvieh des Autohauses. Aber nicht das ihr denkt, der war geschliffen, oooh nein. Optisch wie technisch Top mit einer Liste der ausgeführten Inspektionen und Reparaturen im Handschuhfach. Und auf dem Tacho standen 155.780 km. Respekt! Egal, Probefahrt gemacht, begeistert gewesen, weil er ins Carport passte und dann die unvermeidliche Frage:
"Kann ich den kaufen und was würde er kosten?"
Antwort des Verkäufers: "Wissen wir noch nicht. Wir bekommen im Juli einen richtigen Abschleppwagen. Ich ruf Sie an."
Im Juli war er natürlich weg. Na toll, ein blauer Grand Cherokee mit beiger Lederaustattung ist in Deutschland ungefähr soweit verbreitet wie fähige Politker. Aber okay, kann man nix ändern. Also wieder nach Grimma. Da stand nun ein blauer Grand Cherokee Laredo (Einstiegsmodell) mit 54.000 km für 20.590 Euro und ein Limited in Silber mit 99.642 km auf der Uhr für 19.500 Euro. Beide waren von 2005. Der silberne hatte allerdings einen Vorteil: Einen nagelneuen Austauschmotor der erst eine Woche zuvor eingebaut worden war. Auf die neue Maschine gab es 2 Jahre Gewährleistung. Also griffen wir zu!
Und er versüßt mir tatsächlich jeden Tag, obwohl er bisher ein paar kleine Macken hatte. Aber sowas kommt eben vor. Deswegen heißt es auch GEBRAUCHTwagen und nicht Stationärmodell. Das Schiebestück in der Lenkung wurde auf Garantie getauscht um das Lenkspiel auszumerzen. Am 07. November allerdings dachte ich, er will nicht mehr. Ich stand an der Tankstelle und als ich nach dem Bezahlen den Schlüssel drehte, gab der Dicke keinen Mucks mehr von sich. Und das ausgerechnet an einem Sonntag! Und so ließ ich ihn schweren Herzens huckepack nach Grimma schleppen und gegenüber des Autohauses auf dem Parkplatz abstellen. In einer E-Mail ans Autohaus beschrieb ich das Problem, meine Mutter brachte am Montag die Schlüssel hin. Was war das Problem? Ein ausgehängter Bowdenzug. Kleine Ursache, große Wirkung. Als ich die Automatik auf P stellte, sprang das Ding aus und das Steuergerät dachte die Automatik stünde auf R. Und Startfreigabe bekommt der Motor nur bei P, das ist ein Selbstschutz. Auch dafür mussten wir nichts bezahlen, aus dem einfachen Grund weil selbst die Werkstatt sowas noch nicht erlebt hatte.
Der Grand Cherokee der Reihe WK (EU-Modelle WH) orientiert sich im Gegensatz zum runderen Vorgänger eher an der ersten Baureihe ZJ. Die Seitenlinie ist kantig. Die Frontpartie mit dem 7-Slot-Grill und den elegant geformten Scheinwerfern wirkt einerseits elegant, freundlich und dennoch amerikanisch selbstbewusst. Zu erwähnen sei, dass es 2007/2008 ein Facelift gab, bei dem die Frontpartie und der Innenraum modifiziert wurden. Auch an Chrom wurde nicht gespart. Neben dem Grill gibt’s Zierleisten über die Fahrzeuglänge und am Heck. Auch wirkt der Grand Cherokee deutlich größer als er tatsächlich ist. Mit einer Länge von 4,75 Metern ist er einen Zentimeter kürzer als ein VW Passat. Dieser – zugegeben seltsame – Vergleich gilt all jenen, die Geländewagen grundsätzlich als Parkplatz-Verstopfer verteufeln und privat einen, sagen wir mal, Passat fahren. Für die Sommerreifen bekam er dieses Jahr die Chrom-Felgen von Mopar (sonst nur US-Modell) verpasst.
Gebaut wurden die EU-Modelle des Grand Cherokee in Graz, Österreich. Ja, dort wo BMW auch den X3 bauen lässt. Man liest und hört im Zusammenhang mit amerikanischen Autos viel von billigem Plastik, aber so schlimm ist es garnicht. Im Übrigen habe ich mir nie die Aufgabe gestellt, meine Eier an der Mittelkonsole zu reiben um zu sehen ob mir die Materialien schmeicheln. Die Türinnenseiten und die Hutze der Mittelkonsole über dem Navi sind mit gut vernähtem Kunstleder überzogen und sehen sehr wertig aus, auch nach 5 Jahren keine Spur von Abnutzung. Abgesehen vom Lederlenkrad, aber das hat man bei allen Autos. Der Rest ist in der Tat Plastik. Andererseits handelt es sich hier um einen Jeep – ein bisschen rustikal darf und muss sein – und leicht zu reinigen ist es sowieso. Der Innenraum präsentiert sich insgesamt ergonomisch perfekt und aufgeräumt. Und auch den Fugen-Fanatikern sei gesagt, dass die Spaltmaße stimmen. Die schicken Rundinstrumente mit Chromringen tun ihr übriges. Das Vorurteil, das amerikanische Autos schlecht verarbeitet sind, ist also hiermit vom Tisch! Die Ausstattung ist nahezu komplett. Ledersitze, Soundsystem mit sechs Lautsprechern, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, 17-Zoll-Leichtmetallräder, Einparkhilfe und elektrisch verstellbaren Vordersitzen. … Limited eben. Vorne wie hinten lässt es sich entspannt in üppigen Sesseln flegeln. Praktisch: Neben dem Lenkrad lassen sich auch die Pedale verstellen, womit Fahrer jeder Statur die passende Sitzposition finden. Das Soundsystem ist Wahnsinn: Mit AC/DC erlegt man einen Vogel auf 100 Meter Entfernung.
Der 3.0 V6 Common-Rail-Diesel OM642 von Mercedes ist ein Sahnestück in Vollendung. Der Motor wurde im Modelljahr 2007/2008 auch in den USA angeboten. Er leistet 218 PS und klingt sogar richtig satt, denn das im Leerlauf Truck-ähnliche Grollen wird beim Anfahren zu einem giftigen Fauchen. 510 NM werden ab 1.600 Touren bereitgestellt, in der Praxis merkt man bereits ab Leerlaufdrehzahl einen bulligen Schub. Dabei läuft er sehr kultiviert, nur im Leerlauf und erst wieder ab 120 km/h hört man ihn dezent Schnurren. Die Kraft wird von einer ebenfalls von Mercedes stammenden 5-Stufen-Automatik verwaltet. Besonders hier wird deutlich, wie Mercedes damals Chrysler ausnutzte: Während der gleiche Motor bei Mercedes mit der Sieben-Stufen-Automatik kombiniert wurde, überließ man Jeep und dem Chrysler 300C nur die alte Fünf-Stufen-Box. Das Resultat sind vergleichsweise hohe Drehzahlen (2.500 Touren bei 120 km/h). In 9 Sekunden soll es von 0 auf 100 gehen und 201 km/h soll er Spitze rennen. Die Höchstgeschwindigkeit ist mir jedoch egal, denn ich fahre nie schneller als 130. Da mein Jeep einen nagelneuen Motor hat der zum Übergabetermin gerade mal 62 km Probefahrt abgespult hatte, hab ich ihn die ersten 500 km geschont und mich an die Anweisungen der Betriebsanleitung gehalten. Erst nach 800 km hab ich das erste Mal den Kickdown genutzt, um an einem Traktor vorbei zu kommen. Die Automatik schaltet beim Cruisen dezent spürbar, beim Kickdown wird sie aber etwas ruppig. Den Handschaltmodus hab ich noch nicht ausprobiert. Es sei angemerkt: Der OM642 ist ein absolutes Hightech-Triebwerk welches angepasste Schmierstoffe benötigt und wer etwas anderes als Öle mit der Freigabe von Mercedes einfüllt, riskiert einen Motorschaden. Also, immer schön in die Vertragswerkstatt bringen und kein Dauervollgas auf der Autobahn, dann macht er auch keinen Kummer. Nicht zuletzt wird die Maschine auch auch im Sprinter verbaut und macht dort nur deswegen öfter mal schlapp weil die Betriebe an der Wartung sparen und auf der Autobahn geheizt wird. Nun, zum Glück bedurfte es nur einem neuen Motor, denn das Getriebe ist völlig okay. Die Federung ist relativ straff, was der hinteren Starrachse geschuldet ist. Aber unkomfortabel kann man nicht sagen. Im Gegenteil, auf Langstrecken will man nicht anhalten und Pause machen, denn die Fahrt ist die Pause. Querfugen werden zusätzlich durch die gut gepolsterten Sitze ausgeglichen. Wer denkt, es handelt sich hier um eine Ami-Schaukel, wird beeindurckt sein, wie leichtfüßig sich dieser Klotz in die Kurve legen kann, denn die EU-Modelle wurden in weiser Vorraussicht europäischen Verhältnissen angepasst. Und auch die Bremsen packen bissig und sicher zu. Ich war bis jetzt nur dreimal auf Feldwegen unterwegs, aber die Offroad-Eigenschaften müssen trotzdem erwähnt werden, wenn auch nur kurz: Der Grand Cherokee verfügt über permanenten Allradantrieb, ein Zentraldifferenzial und Achssperren vorne und hinten. Dazu kommen eine Geländeübersetzung und allerlei Elektronik. Doch auch ein Jeep stößt an seine Grenzen, wenn er in eine zugeschneite Spur rutscht, die zuvor ein LKW gewühlt hat. Dann hilft nur noch schieben und schaukeln, während die Freundin vor Lachen fast unterm Beifahrersitz liegt ...
Und jetzt kommen wir zum moralischen Lieblingsthema aller SUV-Gegner und Öko-Freaks: Den stets kritisierten und ach so hohen Verbrauch von SUV's. Im Prospekt stehen kombiniert 10,2 Liter pro 100 km. Nun, derzeit brauche ich 10,3 => Tendenz sinkend. Ist zwar nicht politisch korrekt, aber ein durchaus akzeptabler Wert für 2,3 Tonnen und 218 PS. Auf einer langen Autobahnfahrt ging es sogar runter auf 8,1 Liter. Insgesamt fahre ich in nach US-Normen: Landstraße 90 (55 mph), Autobahn 120-130 (75-80 mph). Über 10,9 Liter ging es noch nicht, auch nicht voll beladen. Mit der ersten Tankfüllung hab ich 767 km geschafft und es war noch nichtmal die Reservelampe an. Die Kfz-Steuer beträgt 463 Euro. Anmerkung: Erst kaufen und dann über die Kosten meckern bringt nix, entweder man weiß worauf man sich einlässt oder nicht! Wenn die Reservelampe angeht, ist nunmal mit gut 90,00 Euro pro Füllung zu rechnen. Mit "Ich tanke immer nur für 20,00 Euro" kommt man nicht weit (was nix daran ändert, das 1,379 € pro Liter Diesel eine Frechheit sind). Der Trost: Die Füllung reicht gut und gern mal zwei Wochen. Im Schnitt bin ich bei zweieinhalb Füllungen im Monat, was weniger ist als ich erwartet hatte.
P.S.: Die Werbeaufschrift hab ich mit voller Absicht drangelassen. Irgendjemand muss ja die Flagge hochhalten ...
Nun, warum eigentlich ein Grand Cherokee, wenn’s ursprünglich ein Dodge Caliber werden sollte? Ganz einfach: Nachdem ich mich auf das Innenraum-Facelift in Vernbindung mit dem neuen 2.2 Liter Diesel gefreut hatte, stand selbiger schon garnicht mehr zur Debatte, weil er nicht mehr geliefert wird. Und so traurig es wahr, auf ein neues Auto zu verzichten, wollte ich nach über zwei Jahren Rückschlagen, Sparen und Hoffen Chrysler, Jeep und Dodge treu bleiben. Aber was denn nun? Alle Chrysler-Modelle fielen von vornherein flach, ich wollte nun einen Geländewagen. Ein Dodge Ram? Zu breit für die Hofeinfahrt. Dakota? Keine in der Nähe. Durango? Siehe Ram, zu breit. Blieb Jeep, die Legende unter den Offroadern. Aber welchen? Der Wrangler war zu teuer, ebenso wie der aktuelle Cherokee. Der Patriot war hübsch, aber keine Automatik für den Diesel lieferbar - der Compass als Facelift kam erst 2011. So blieben nur die zwei ganz Dicken: Grand Cherokee und Commander. Wir hatten 23.000 Euro und im Umkreis von 100 km keine große Auswahl. Ein Commander tat es mir an, 4 Jahre alt, 47.000 km, Urlaubsauto eines wintersportbegeisterten aber nun bankrotten Anwalts. Bei der Probefahrt kam die Ernüchterung: Einfahrt breit genug, Carport zu kurz und anbei die Frage: Welches Arschloch hat eigentlich diesen Hof gebaut? Damit blieb nur der Grand Cherokee. Und so klopfte ich im März 2010 nach fast genau einem Jahr wieder bei Eulitz Motors in Grimma an. Nach einem 3-Minuten-Telefonat hatte ich einen Grand Cherokee als Vorführwagen und einen Termin. Also fuhr ich nach Grimma. Dort stand ein Traum von einem Grand Cherokee: 65th Anniversary Edition, 3.0 V6 Diesel, Dunkelblau mit beiger Lederaustattung. Dieser "Vorführwagen" entpuppte sich als Werkstattdienstwagen von 2006, also das Arbeitsvieh des Autohauses. Aber nicht das ihr denkt, der war geschliffen, oooh nein. Optisch wie technisch Top mit einer Liste der ausgeführten Inspektionen und Reparaturen im Handschuhfach. Und auf dem Tacho standen 155.780 km. Respekt! Egal, Probefahrt gemacht, begeistert gewesen, weil er ins Carport passte und dann die unvermeidliche Frage:
"Kann ich den kaufen und was würde er kosten?"
Antwort des Verkäufers: "Wissen wir noch nicht. Wir bekommen im Juli einen richtigen Abschleppwagen. Ich ruf Sie an."
Im Juli war er natürlich weg. Na toll, ein blauer Grand Cherokee mit beiger Lederaustattung ist in Deutschland ungefähr soweit verbreitet wie fähige Politker. Aber okay, kann man nix ändern. Also wieder nach Grimma. Da stand nun ein blauer Grand Cherokee Laredo (Einstiegsmodell) mit 54.000 km für 20.590 Euro und ein Limited in Silber mit 99.642 km auf der Uhr für 19.500 Euro. Beide waren von 2005. Der silberne hatte allerdings einen Vorteil: Einen nagelneuen Austauschmotor der erst eine Woche zuvor eingebaut worden war. Auf die neue Maschine gab es 2 Jahre Gewährleistung. Also griffen wir zu!
Und er versüßt mir tatsächlich jeden Tag, obwohl er bisher ein paar kleine Macken hatte. Aber sowas kommt eben vor. Deswegen heißt es auch GEBRAUCHTwagen und nicht Stationärmodell. Das Schiebestück in der Lenkung wurde auf Garantie getauscht um das Lenkspiel auszumerzen. Am 07. November allerdings dachte ich, er will nicht mehr. Ich stand an der Tankstelle und als ich nach dem Bezahlen den Schlüssel drehte, gab der Dicke keinen Mucks mehr von sich. Und das ausgerechnet an einem Sonntag! Und so ließ ich ihn schweren Herzens huckepack nach Grimma schleppen und gegenüber des Autohauses auf dem Parkplatz abstellen. In einer E-Mail ans Autohaus beschrieb ich das Problem, meine Mutter brachte am Montag die Schlüssel hin. Was war das Problem? Ein ausgehängter Bowdenzug. Kleine Ursache, große Wirkung. Als ich die Automatik auf P stellte, sprang das Ding aus und das Steuergerät dachte die Automatik stünde auf R. Und Startfreigabe bekommt der Motor nur bei P, das ist ein Selbstschutz. Auch dafür mussten wir nichts bezahlen, aus dem einfachen Grund weil selbst die Werkstatt sowas noch nicht erlebt hatte.
Der Grand Cherokee der Reihe WK (EU-Modelle WH) orientiert sich im Gegensatz zum runderen Vorgänger eher an der ersten Baureihe ZJ. Die Seitenlinie ist kantig. Die Frontpartie mit dem 7-Slot-Grill und den elegant geformten Scheinwerfern wirkt einerseits elegant, freundlich und dennoch amerikanisch selbstbewusst. Zu erwähnen sei, dass es 2007/2008 ein Facelift gab, bei dem die Frontpartie und der Innenraum modifiziert wurden. Auch an Chrom wurde nicht gespart. Neben dem Grill gibt’s Zierleisten über die Fahrzeuglänge und am Heck. Auch wirkt der Grand Cherokee deutlich größer als er tatsächlich ist. Mit einer Länge von 4,75 Metern ist er einen Zentimeter kürzer als ein VW Passat. Dieser – zugegeben seltsame – Vergleich gilt all jenen, die Geländewagen grundsätzlich als Parkplatz-Verstopfer verteufeln und privat einen, sagen wir mal, Passat fahren. Für die Sommerreifen bekam er dieses Jahr die Chrom-Felgen von Mopar (sonst nur US-Modell) verpasst.
Gebaut wurden die EU-Modelle des Grand Cherokee in Graz, Österreich. Ja, dort wo BMW auch den X3 bauen lässt. Man liest und hört im Zusammenhang mit amerikanischen Autos viel von billigem Plastik, aber so schlimm ist es garnicht. Im Übrigen habe ich mir nie die Aufgabe gestellt, meine Eier an der Mittelkonsole zu reiben um zu sehen ob mir die Materialien schmeicheln. Die Türinnenseiten und die Hutze der Mittelkonsole über dem Navi sind mit gut vernähtem Kunstleder überzogen und sehen sehr wertig aus, auch nach 5 Jahren keine Spur von Abnutzung. Abgesehen vom Lederlenkrad, aber das hat man bei allen Autos. Der Rest ist in der Tat Plastik. Andererseits handelt es sich hier um einen Jeep – ein bisschen rustikal darf und muss sein – und leicht zu reinigen ist es sowieso. Der Innenraum präsentiert sich insgesamt ergonomisch perfekt und aufgeräumt. Und auch den Fugen-Fanatikern sei gesagt, dass die Spaltmaße stimmen. Die schicken Rundinstrumente mit Chromringen tun ihr übriges. Das Vorurteil, das amerikanische Autos schlecht verarbeitet sind, ist also hiermit vom Tisch! Die Ausstattung ist nahezu komplett. Ledersitze, Soundsystem mit sechs Lautsprechern, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, 17-Zoll-Leichtmetallräder, Einparkhilfe und elektrisch verstellbaren Vordersitzen. … Limited eben. Vorne wie hinten lässt es sich entspannt in üppigen Sesseln flegeln. Praktisch: Neben dem Lenkrad lassen sich auch die Pedale verstellen, womit Fahrer jeder Statur die passende Sitzposition finden. Das Soundsystem ist Wahnsinn: Mit AC/DC erlegt man einen Vogel auf 100 Meter Entfernung.
Der 3.0 V6 Common-Rail-Diesel OM642 von Mercedes ist ein Sahnestück in Vollendung. Der Motor wurde im Modelljahr 2007/2008 auch in den USA angeboten. Er leistet 218 PS und klingt sogar richtig satt, denn das im Leerlauf Truck-ähnliche Grollen wird beim Anfahren zu einem giftigen Fauchen. 510 NM werden ab 1.600 Touren bereitgestellt, in der Praxis merkt man bereits ab Leerlaufdrehzahl einen bulligen Schub. Dabei läuft er sehr kultiviert, nur im Leerlauf und erst wieder ab 120 km/h hört man ihn dezent Schnurren. Die Kraft wird von einer ebenfalls von Mercedes stammenden 5-Stufen-Automatik verwaltet. Besonders hier wird deutlich, wie Mercedes damals Chrysler ausnutzte: Während der gleiche Motor bei Mercedes mit der Sieben-Stufen-Automatik kombiniert wurde, überließ man Jeep und dem Chrysler 300C nur die alte Fünf-Stufen-Box. Das Resultat sind vergleichsweise hohe Drehzahlen (2.500 Touren bei 120 km/h). In 9 Sekunden soll es von 0 auf 100 gehen und 201 km/h soll er Spitze rennen. Die Höchstgeschwindigkeit ist mir jedoch egal, denn ich fahre nie schneller als 130. Da mein Jeep einen nagelneuen Motor hat der zum Übergabetermin gerade mal 62 km Probefahrt abgespult hatte, hab ich ihn die ersten 500 km geschont und mich an die Anweisungen der Betriebsanleitung gehalten. Erst nach 800 km hab ich das erste Mal den Kickdown genutzt, um an einem Traktor vorbei zu kommen. Die Automatik schaltet beim Cruisen dezent spürbar, beim Kickdown wird sie aber etwas ruppig. Den Handschaltmodus hab ich noch nicht ausprobiert. Es sei angemerkt: Der OM642 ist ein absolutes Hightech-Triebwerk welches angepasste Schmierstoffe benötigt und wer etwas anderes als Öle mit der Freigabe von Mercedes einfüllt, riskiert einen Motorschaden. Also, immer schön in die Vertragswerkstatt bringen und kein Dauervollgas auf der Autobahn, dann macht er auch keinen Kummer. Nicht zuletzt wird die Maschine auch auch im Sprinter verbaut und macht dort nur deswegen öfter mal schlapp weil die Betriebe an der Wartung sparen und auf der Autobahn geheizt wird. Nun, zum Glück bedurfte es nur einem neuen Motor, denn das Getriebe ist völlig okay. Die Federung ist relativ straff, was der hinteren Starrachse geschuldet ist. Aber unkomfortabel kann man nicht sagen. Im Gegenteil, auf Langstrecken will man nicht anhalten und Pause machen, denn die Fahrt ist die Pause. Querfugen werden zusätzlich durch die gut gepolsterten Sitze ausgeglichen. Wer denkt, es handelt sich hier um eine Ami-Schaukel, wird beeindurckt sein, wie leichtfüßig sich dieser Klotz in die Kurve legen kann, denn die EU-Modelle wurden in weiser Vorraussicht europäischen Verhältnissen angepasst. Und auch die Bremsen packen bissig und sicher zu. Ich war bis jetzt nur dreimal auf Feldwegen unterwegs, aber die Offroad-Eigenschaften müssen trotzdem erwähnt werden, wenn auch nur kurz: Der Grand Cherokee verfügt über permanenten Allradantrieb, ein Zentraldifferenzial und Achssperren vorne und hinten. Dazu kommen eine Geländeübersetzung und allerlei Elektronik. Doch auch ein Jeep stößt an seine Grenzen, wenn er in eine zugeschneite Spur rutscht, die zuvor ein LKW gewühlt hat. Dann hilft nur noch schieben und schaukeln, während die Freundin vor Lachen fast unterm Beifahrersitz liegt ...
Und jetzt kommen wir zum moralischen Lieblingsthema aller SUV-Gegner und Öko-Freaks: Den stets kritisierten und ach so hohen Verbrauch von SUV's. Im Prospekt stehen kombiniert 10,2 Liter pro 100 km. Nun, derzeit brauche ich 10,3 => Tendenz sinkend. Ist zwar nicht politisch korrekt, aber ein durchaus akzeptabler Wert für 2,3 Tonnen und 218 PS. Auf einer langen Autobahnfahrt ging es sogar runter auf 8,1 Liter. Insgesamt fahre ich in nach US-Normen: Landstraße 90 (55 mph), Autobahn 120-130 (75-80 mph). Über 10,9 Liter ging es noch nicht, auch nicht voll beladen. Mit der ersten Tankfüllung hab ich 767 km geschafft und es war noch nichtmal die Reservelampe an. Die Kfz-Steuer beträgt 463 Euro. Anmerkung: Erst kaufen und dann über die Kosten meckern bringt nix, entweder man weiß worauf man sich einlässt oder nicht! Wenn die Reservelampe angeht, ist nunmal mit gut 90,00 Euro pro Füllung zu rechnen. Mit "Ich tanke immer nur für 20,00 Euro" kommt man nicht weit (was nix daran ändert, das 1,379 € pro Liter Diesel eine Frechheit sind). Der Trost: Die Füllung reicht gut und gern mal zwei Wochen. Im Schnitt bin ich bei zweieinhalb Füllungen im Monat, was weniger ist als ich erwartet hatte.
P.S.: Die Werbeaufschrift hab ich mit voller Absicht drangelassen. Irgendjemand muss ja die Flagge hochhalten ...